
Dr. Oliver Lautersack
Das Team der tierärztlichen Klinik hat immer ein Ziel: die optimale Behandlung tierischer Patienten.
Einige Hunderassen, dies betrifft vor allem schnell- und großwüchsige Rassen, leiden unter chronischen Schäden des Ellenbogengelenks, die häufig bereits in der Jugend beginnen und sich im Laufe der weiteren Lebensjahre weiter steigern. Darunter kann die Lebensqualität des Hundes deutlich leiden.
Ausgelöst durch diese Schmerzen neigen viele Hunde mit einer Ellenbogenerkrankung zu einer Gewichtsverlagerung auf das Innengelenk, wodurch der Knorpel so stark belastet wird, dass er zwischen Oberarm- und Unterarmgelenkfläche abgerieben wird. Diese Erkrankung nennt man „Mediales Compartmentsyndrom“. Sie beschreibt den Knorpelverlust beider Gelenkflächen. Von solchen Knorpelschäden kann sich das Gelenk nicht mehr erholen. In Bewegung entsteht zwischen den nun aufeinanderliegenden Knochenflächen Reibung und Wärme, was starke Schmerzen und Entzündungen verursachen kann. In solchen Fällen sollte über eine Ellenbogenendoprothese, also einen künstlichen Ellenbogen, nachgedacht werden.
Zur Behandlung des Medialen Compartmentsyndroms stehen verschiedene Operationsverfahren zur Verfügung, die je nach Schwere und Art der Erkrankung zum Einsatz kommen können:
Durch die Sliding Humeral Osteotomie (SHO) und die Proximal Abducting Ulna Osteotomy (PAUL) wird der Schwerpunkt des Ellenbogens nach außen verlagert, wodurch die Innengelenkfläche entlastet wird. Beide Methoden haben zum Teil exzellente Ergebnisse, allerdings kann der Operationserfolg im Voraus nicht sicher eingeschätzt und die Dauer der Besserung nicht genau vorhergesagt werden. Gerade Letzteres ist in Anbetracht der oft jungen Patienten schwierig.
Die CUE, eine in den USA entwickelte Teilgelenkprothese, ersetzt – wie der Name bereits sagt – einen kleinen Gelenkanteil des Innengelenks, aber auch hier sind die Vorhersagbarkeit des Operationsergebnisses und die Dauer der Besserung nicht zuverlässig zu treffen.
Ellenbogenvollendoprothesen wie die TATE sind aufgrund der anatomischen Gegebenheiten nach wie vor schwierig. Der Ellenbogen gehört zum komplexesten Gelenk im Körper, ob beim Menschen oder beim Hund. Hier müssen drei Knochen auf eine gemeinsame Bewegung fixiert werden. Und anders als bei der Hüfte konnten sich künstliche Ellenbogen durch diese technisch nicht lösbaren Schwierigkeiten bislang nicht durchsetzen.
Der Schweizer Endoprothesenhersteller KYON hat nun erstmals eine Neuerung für die Ellenbogenendoprothese entwickelt, die er 2017 in den USA vorstellte. Im Gegensatz zu früheren Endoprothesen, die das gesamte Ellenbogengelenk ersetzen, wird beim Schweizer Modell des künstlichen Ellenbogens nur der innenliegende Anteil ersetzt. Durch die Begrenzung der Implantate auf den defekten Bereich wird nur ein Teilimplantat eingesetzt, sodass Interaktionen zwischen den drei Knochen keine Rolle mehr spielen. Das verwendete Material ist klinisch vielfach überprüft, da es bereits in den Hüftköpfen der Hüftendoprothesen oder dem Kniescheibengelenksersatz zum Einsatz kommt. Wie alle KYON-Endoprothesen zeigen die Ellenbogenendoprothesen ein ausgezeichnetes Einwachsverhalten und eine sehr gute Langlebigkeit.
Abb. 1: Die Hemiprothese ist dem inneren Anteil des Ellenbogengelenks nachempfunden und besteht aus einer sehr gleitfähigen Titanlegierung auf der Außenseite (schwarz) und einem porösen Anteil, in den der Knochen einwächst.
Das Prinzip der Hemiprothese des Ellbogens ist bestechend logisch, die Materialien durch die jahrzehntelange Erfahrung aus der Entwicklung der Hüftendoprothese (sog. Züricher Modell) etabliert. Die Implantation ist viel untraumatischer und uninvasiver als die Implantation bisheriger künstlicher Ellenbogen.
Die KYON-Ellenbogenendoprothese kann als Partial-Variante ohne ein Ulnaimplantat oder als Full-Variante mit Ulnaimplantat (Vollendoprothese) eingesetzt werden. Die Funktion der Partialendoprothese entspricht der Cupless Hüftendoprothese oder der Patella Groove, bei denen ebenfalls nur ein Gelenkanteil ersetzt wird.
Die Ellenbogengelenkendoprothese ist eine hervorragende Ergänzung zu bestehenden Behandlungsvarianten für Hunde, die am Medialen Compartmentsyndrom leiden. Unserer Meinung nach steht nun erstmals eine Endoprothese für den Ellenbogen zur Verfügung, der den Erwartungen, die an Endoprothesen gestellt werden, gerecht wird. Die behandelten Hunde zeigen meist sehr zufriedenstellende Ergebnisse, sodass endlich eine Behandlungsmethode vorhanden ist, die es ermöglicht, Patienten bei guter Funktionalität von ihren Schmerzen zu befreien.
Abb. 2: Partial Hemiprothese: Die Gelenkfläche des Humerus ist durch ein Implantat ersetzt worden.
Abb. 3: Die Full Hemiprothese des Ellenbogens: Beide Gelenkflächen sind durch eine Endoprothese ersetzt worden.
Abb. 4: Die Implantate im Plastikmodell (zur besseren Erkennbarkeit)
Abb. 5: Röntgenbilder eines Hundes mit künstlichem Ellenbogen