Bandscheibenvorfall

Bandscheibenvorfall (Diskopathie)

Der Bandscheibenvorfall des Hundes tritt insbesondere bei so genannten „chondrodystrophen", kurzbeinigen Rassen (Dackel, Basset, Zwergpudel, ...) auf, da diese häufig einen veränderten Knorpelstoffwechsel haben. Dadurch neigen die Bandscheiben zu vorzeitiger Degeneration.

Die Bandscheibe besteht aus 2 verschiedenen Schichten: Dem bindegewebigen Anulus fibrosus,der als faserartiger Ring die äußere Begrenzung darstellt, und dem im Inneren gelegenen, wasserartigen Nukleus pulposus. Normalerweise kann der Körper Druckkräfte nur durch Knochen abfangen. Zur Erhaltung der Beweglichkeit ist an der Wirbelsäule ein anderer Mechanismus verwirklicht: Durch Druck wird der innen liegende, wasserartige Nukleus pulposus belastet und dehnt sich seitlich aus, wodurch der außen liegende Anulus fibrosus unter Spannung gesetzt wird. Durch die Anordnung seiner Fasern kann er diese Kräfte aufnehmen. Der Körper wandelt damit Druckkräfte unter Erhaltung der vollen Beweglichkeit in Zugkräfte um.

Durch zunehmende Entwässerung und Verhärtung des innen liegenden Nukleus pulposus werden die Druckkräfte nicht mehr gleichmäßig auf den Bindegewebsring verteilt und es kommt zur Überlastung der Fasern des Anulus fibrosus. Durch teilweise Einrisse wölbt sich der oberflächlich intakte Bindegewebsring nach oben in den Wirbelkanal vor und übt damit Druck auf das Rückenmark und die hochgradig schmerzempfindlichen Rückenmarkshäute aus. Der Hund schreit bei bestimmten Bewegungen und möchte nicht mehr laufen. Er zeigt aber noch keine neurologischen Ausfälle.

Irgendwann reißen die letzten, noch intakten Fasern des Anulus fibrosus ein und der meist verkalkte Nukleus pulposus fällt in den Rückenmarkskanal vor. Da dieser Kanal durch Knochen begrenzt ist, kann das Rückenmark nicht ausweichen, wird gequetscht und schwillt an. Die Blutversorgung wird stark vermindert, da der Blutdruck nicht mehr ausreicht, um das Blut gegen den Gewebewiderstand durch das Rückenmark zu pumpen. Nervenzellen sind sehr empfindlich gegenüber einer Blutunterversorgung, so dass erste Schäden bereits früh einsetzen.

Gleichzeitig können die lokalen Stoffwechselprodukte nicht abtransportiert werden und es entstehen freie Radikale, die die Zellwände der Nervenzellen beschädigen und weiter zum Funktionsverlust beitragen.

Die Tiere zeigen zunehmend Lähmungserscheinungen, abhängig vom Schweregrad des Bandscheibenvorfalls. Dieser sich selbst erhaltende Kreislauf kann nur durch frühzeitiges, gezieltes Eingreifen unterbrochen werden

Grundsätzlich unterscheidet man 3 Symptomgruppen beim Bandscheibenvorfall:


Tiere aus der Gruppe 1 sollten primär konservativ behandelt werden. Wird der Hund frühzeitig (innerhalb der ersten 48 Stunden) vorgestellt, ist hochdosierte Kortison- und Antioxidantiengabe die Therapie der Wahl. Patienten, die später vorgestellt werden, sollten nur noch mit Antioxidantien und Ruhe therapiert werden. Kortison ist hier nicht mehr wirksam.

Tiere aus der Gruppe 2 sind uneinheitlich und müssen von Fall zu Fall beurteilt werden. Bei leichter Gangunsicherheit ist eher eine konservative Therapie sinnvoll, während man bei kaum noch stehfähigen Hunden zur Operation raten sollte. Dabei spielt jedoch die Zeit, die seit dem Vorfall bereits vergangen ist, sowie die klinische Entwicklung seit dem Vorfall, das Alter des Patienten und das Vorliegen weiterer Erkrankungen eine Rolle.

Hunde mit einer Paraplegie (Gruppe 3, keine Stehfähigkeit mehr erhalten) müssen operiert werden, sofern die Lähmung nicht schon zu lange besteht oder andere, individuelle Gründe einer Operation entgegenstehen.

Bei der Operation wird der Wirbelkanal eröffnet und das vorgefallene Bandscheibenmaterial entfernt. Danach kann das Rückenmark wieder normal durchblutet werden. Gleichzeitig wird die Bandscheibe seitlich eröffnet und ausgeräumt. Damit wird ein Nachrutschen von weiterem Bandscheibenmaterial nach der Operation weitestgehend verhindert.

Durch den operativen Eingriff hat Ihr Hund bei bestehender Lähmung die besten Aussichten auf Heilung. Komplikationen wie Narbenbildung, die in der Humanmedizin gefürchtet sind, kommen beim Hund deutlich seltener vor.

Wichtig ist bei Hunden mit Lähmungserscheinungen die schnelle Diagnose und Einleitung einer geeigneten Therapie. Abwarten verschlechtert die Prognose, da das Rückenmark während dieser Zeit nicht ausreichend durchblutet und durch Radikalbildung zunehmend geschädigt wird.

FÜR FRAGEN steht Ihnen das Team der Tierärztlichen Klinik für Chirurgie in Ettlingen gerne zur Verfügung.

Abb. 1: Bandscheibe zwischen zwei Wirbelkörperendplatten. Umwandlung von Druck- in Zugkräfte.

Abb. 2: „Hemilaminektomie“, Wirbelkanal eröffnet, Rückenmark freiliegend (gelber Pfeil). Der Vorfall der Bandscheibe ist unter dem Rückenmark sichtbar (blauer Pfeil).

Dr. Oliver Lautersack und Janine Lautersack

Dr. Oliver Lautersack und Janine Lautersack sind die leitenden Tierärzte im Bereich Neurologie.

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