Dr. Oliver Lautersack
Das Team der tierärztlichen Klinik hat immer ein Ziel: die optimale Behandlung tierischer Patienten.
Das Kniegelenk wird durch zwei Seitenbänder sowie das vordere und hintere Kreuzband stabilisiert. Die Seitenbänder verhindern ein seitliches Abknicken aus der Längsachse des Beins, während die Kreuzbänder für Festigkeit nach vorne und hinten sorgen.
Das Kniegelenk des Hundes
aus Fossum: Small Animal Surgery, Mosby Verlag, 1997
Ansicht von vorne: In der Mitte sind das vordere (Cranial cruciate ligament) und das hintere (Caudal cruciate ligament) Kreuzband zu sehen. Quer zwischen Ober- und Unterschenkel liegen die beiden Menisken (Medial und Lateral Meniscus) sowie seitlich das äußere und innere Seitenband (ohne Bezeichnung).
Das vordere Kreuzband ist extrem stabil und dick. Ein einfacher Riss dieses Bandes, zum Beispiel infolge eines Unfalls, ist daher sehr selten. In fast allen Fällen wird das Band chronisch fehl- und überlastet. Mögliche Ursachen sind Übergewicht, eine Kniescheibenluxation oder eine Gliedmaßenfehlstellung. Heute ist bekannt, dass eine besondere Veranlagung zum Kreuzbandriss durch eine steil stehende Gelenkfläche des Unterschenkels besteht. Die Steilheit der Unterschenkelgelenkfläche bestimmt die Kraft, mit welcher der Unterschenkel bei jedem Schritt nach vorne gedrückt wird (sogenannter „Cranial Tibial Thrust“ oder „Vorwärtsschub des Unterschenkels“).
Viele Hunde haben eine sehr steile Gelenkfläche, wodurch das Kreuzband starker Dauerbelastung ausgesetzt wird.
Der schräge Abhang stellt grafisch die Gelenkfläche des Hunde-Unterschenkels dar, während der Wagen der Gelenkfläche des Oberschenkels entspricht. Das Seil (F), das den Wagen am Herunterrollen hindert, stellt bildlich das vordere Kreuzband dar. Je steiler der Abhang ist, desto stärker wird das Seil, das dem vorderen Kreuzband entspricht, unter Spannung gesetzt. Durch die dauerhafte Überlastung entstehen kleine Risse innerhalb des Bandes, die kontinuierlich zunehmen, sodass irgendwann ein Zeitpunkt erreicht ist, an dem durch eine unwesentliche, falsche Bewegung der Kreuzbandriss entsteht („Bagatelltrauma“).
Die Veränderungen am Gelenk
Der Kreuzbandriss verursacht eine Gelenkentzündung, die nicht nur sehr schmerzhaft für den Hund ist, sondern auch zu irreversiblen, hochgradigen Arthrosen und Knorpelschäden führt. Eine medikamentöse Behandlung des Kreuzbandrisses resultiert beim Hund immer in sehr unbefriedigenden Ergebnissen und sollte daher nicht vollzogen werden.
Heute werden die früher angewendeten einfachen Methoden und die Fadentechniken von den biomechanischen Methoden unterschieden:
Die früheren Methoden haben das Ziel, durch Eigengewebe (Bindegewebe oder Muskulatur) oder Fremdmaterial, wie Fäden oder Draht, die Stabilität des Kniegelenks wieder herzustellen, die durch den Kreuzbandriss verloren gegangen ist. Die modernste dieser aktiv stabilisierenden Methoden ist das sogenannte „Tight Rope“ System der Firma Arthrex.
Im oberen Bild sehen Sie den Verlauf des Tight-Rope-Fadens in der Aufsicht auf das Kniegelenk, im unteren Bild in der Seitenansicht.
Wir setzen dieses Verfahren vor allem bei einem Kreuzbandriss von Katzen und kleinen Hunden ein. Dabei kommt ein sehr stabiles Band zum Einsatz, das durch sogenannte „Isometrische Punkte“ gelegt wird, also Punkte an Ober- und Unterschenkel, die bei Bewegung immer denselben Abstand zueinander halten. Dies soll einem vorzeitigen Abrieb entgegenwirken. Genaueres zu dieser Methode erfahren Sie hier. Alle älteren Verfahren scheitern jedoch bis heute daran, dass die sich ständig wiederholenden Belastungszyklen beim Laufen, Aufstehen, etc. zum Verschleiß der Implantate führen, wodurch sehr häufig eine erneute Instabilität entsteht. Dies hat Arthrosen, chronische Gelenksentzündungen und im schlechtesten Fall den erneuten Riss des Implantats zur Folge.
Für alle Hunde, egal ob klein oder groß und Katzen ist ein solcher Ersatz des Kreuzbandes bis heute nur eine vorrübergehende Stabilisierung, bei der es durch die zunehmende Instabilität der Implantate im Laufe der Zeit immer (!) zu Arthrosen und Verschleiß kommt.
Die Mechanik des Kniegelenks eines Hundes ist mit dem Menschen nicht vergleichbar. Durch die unterschiedliche Anatomie ist seit über 20 Jahren bekannt, dass humanmedizinische Methoden beim Hund nicht entsprechend funktionieren. Dem werden inzwischen unterschiedliche OP-Methoden gerecht, so dass für Hunde mit den jeweiligen individuellen Bedürfnissen der unterschiedlichen Rassen die beste OP-Technik im Einzelfall gefunden werden sollte.
Die TPLO (Tibia Plateau Leveling Osteotomy), TTA (Tibia Tuberosity Advancement) und CBLO (CORA Based Leveling Osteotomy) sind heute die führenden Operationsverfahren bei Kreuzbandrissen von Hunden. Diese Methoden sind gut untersucht und haben sich als äußerst wirksam erwiesen, um das Kniegelenk dauerhaft zu stabilisieren. Durch die Verfahren kann der Fortschritt von Arthrose minimiert werden und Hunde können nach der Genesung sogar wieder sportliche Aktivitäten uneingeschränkt ausüben.
Als heutige Referenzmethode gilt die TPLO, das am meisten untersuchte orthopädische Operationsverfahren der letzten Jahrzehnte. Hierzu gibt es unzählige Studien, die Jahr für Jahr dazu führen, dass wir dazulernen und die bekannten Techniken verbessern. Daneben hat sich in den letzten 15 Jahren die TTA etabliert. Beide Methoden stabilisieren das Kniegelenk aktiv, indem die einwirkenden biomechanischen Kräfte geändert werden.
Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile, keine Technik ist der anderen generell überlegen.
In unserer Klinik in Ettlingen bieten wir als eine von wenigen Kliniken in Deutschland beide Methoden parallel an und entscheiden individuell für jeden Hund, welche Methode am besten geeignet ist. So können wir eine optimale Versorgung unserer Patienten gewährleisten.
Häufig wird diesen Techniken eine große Invasivität nachgesagt. Dies ist jedoch nicht richtig, da das Kniegelenk nicht eröffnet wird und somit der empfindlichste Teil, nämlich das Gelenk selbst, geschont wird. Zudem kombinieren wir die TPLO und TTA mit einer Arthroskopie (siehe „Arthroskopiegestützte TPLO/TTA“ weiter unten auf dieser Seite), um die Menisken schonend zu untersuchen und gegebenenfalls zu behandeln.
Die Durchtrennung des Knochens bei der TPLO oder TTA am Hund stellt keine bedeutende Komplikationsgefahr dar und heilt in wenigen Wochen wieder vollständig aus. Es wird an Strukturen gearbeitet, die keinen degenerativen Verschleiß wie ein Gelenk zeigen. Dadurch kann die Stabilität des Kniegelenks erfolgreich wiederhergestellt werden.
Bis vor 23 Jahren existierte kein Operationsverfahren, das verlässlich zu guten klinischen Ergebnissen führte. Methoden, die beim Menschen mit Erfolg angewendet werden, bringen beim Hund keine vergleichbaren Resultate, da sich die Biomechanik (Bewegungsart) stark unterscheidet. Bei bisherigen Operationsmethoden wurden die gerissenen Kreuzbandreste entfernt, die Menisken kontrolliert und bei Beschädigung teilweise oder vollständig entfernt sowie das Gelenk durch unterschiedlichste Methoden wieder stabilisiert. Die ursprüngliche Funktionalität wurde beim Hund jedoch mit keiner dieser Methoden erreicht, so dass eine zwar verlangsamte, aber kontinuierlich fortschreitende Schädigung des Gelenks entstand.
Das heutige Referenzverfahren zur Operation des Kreuzbandrisses beim Hund ist die TPLO („Tibial Plateau Leveling Osteotomy“), ein in den USA entwickeltes und lange patentiertes Verfahren, das sich über die letzten Jahrzehnte verbessert und weiterentwickelt hat, aber stets das Standardverfahren in der Tiermedizin geblieben ist. Viele Unternehmen weltweit sind an der Weiterentwicklung und an den Forschungen beteiligt, so dass der Konkurrenzkampf um das beste Implantat die TPLO dauerhaft verbessert und vorangetrieben hat. Auch wir lernen immer weiter hinzu, so dass die TPLO am Hund auch zur Korrektur von Patellaluxationen in Kombination mit einem Kreuzbandriss deutliche Vorteile gegenüber anderen Methoden hat.
Der Grundgedanke der TPLO ist die Neutralisation des Vorwärtsschubes des Unterschenkels bei Belastung. Indem diese Kraft aufgehoben wird, verliert das vordere Kreuzband seine Funktion, so dass eine „Reparatur“ des gerissenen Bandes nicht mehr notwendig ist.
Der Schlüssel des Behandlungserfolgs scheint nach heutigem Wissen in der Beseitigung des Vorwärtsschubs zu liegen. Dafür wird nach einem bestimmten Verfahren anhand von verschiedenen Röntgenbildern die Differenz zwischen optimalem und bestehendem Gelenkswinkel sowie der Korrekturwinkel ausgemessen und errechnet. Zur Korrektur wird mit einer speziellen Säge die Gelenkfläche vom Unterschenkel abgetrennt und um den errechneten Korrekturwinkel in den biomechanisch optimalen Winkel gedreht. Anschließend wird die Gelenkfläche durch eine Plattenosteosynthese – vergleichbar mit der Behandlung eines Knochenbruchs – wieder am Unterschenkel befestigt. Dabei verwenden wir heute fast ausschließlich Verriegelungsplatten der Firmen Synthes oder FixIn.
Wir sind eine nach Slocum zertifizierte und zugelassene Klinik und wenden diese Methode seit 2004 sehr erfolgreich und mehrere hundert Mal im Jahr an.
Darstellungen verschiedener TPLOs an den Gelenken mehrerer Hunde
Links ist eine sehr steil gewinkelte Unterschenkelgelenkfläche dargestellt. Der rote Winkel entspricht der Steilheit des Gelenks. In der Mitte ist eine TPLO mit 2,7 mm Verriegelungsplatte und 2-Plattentechnik dargestellt. Das Schwenkprinzip der TPLO ist in der Grafik daneben gezeigt. Ganz rechts wird eine TPLO mit der am häufigsten gebrauchten 3.5 mm Verriegelungsplatte angezeigt.
Die OP-Methode wurde von Slobodan Tepic und Pierre Montavon 2002 eingeführt und ist seit 2004 in klinischem Einsatz. Nach anfänglichen Herausforderungen hat sich die aktuelle Implantatgeneration als äußerst erfolgreich erwiesen und die TTA ist für Hunde mit Kreuzbandriss zu einer vollwertigen Alternative zur TPLO geworden.
Die TTA verändert – wie die TPLO – die Kräfte im Kniegelenk, wodurch die Funktion des vorderen Kreuzbandes zum Teil aufgehoben, der sogenannte „Tibial Thrust“ verhindert und die Stabilität des Gelenks verbessert wird.
Das Ziel der TTA ist es, die im Kniegelenk auftretenden Kräfte parallel zum Kniescheibenband auszurichten, wodurch das Kniegelenk auch ohne das vordere Kreuzband bei Belastung wieder stabil ist. Dadurch wird eine dauerhafte, beanspruchbare Funktion des Gelenks erreicht. Die TTA erreicht dies, indem sie die Kräfte, die auf das Kniegelenk einwirken, dem bestehenden Gelenksplateau anpasst, während die TPLO die Gelenksfläche den einwirkenden Kräften anpasst.
Die TTA hat sich neben der TPLO als Standardverfahren etabliert und eignet sich besonders gut für mittlere bis große Hunderassen. Der Vorteil der TTA gegenüber der TPLO liegt in der noch schnelleren Belastung der Gliedmaße. Gewisse Veränderungen an der Gliedmaße können mit einer TTA nicht korrigiert werden, ebenso ist bei Kreuzbandrissen die TTA für Hunde mit steiler Gelenkswinkelung weniger geeignet. Daher betrachten wir jeden Fall individuell. Die TTA kann auch mit anderen Gliedmaßenkorrekturen kombiniert werden, z. B. bei einer Patellaluxation, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Darstellung der TTA
Die linke Darstellung zeigt die Gelenkskräfte im normalen Gelenk. Der kleinere rote Pfeil stellt hier den Tibial Thrust dar, also das Vordrücken des Gelenks bei Belastungen. Auf dem rechten Bild sehen Sie, dass nach der TTA kein solches Vordrücken mehr entsteht.
Seit Mai 2014 wird die TTA 2 als Weiterentwicklung der TTA mit noch geringeren Komplikationen offiziell von Kyon, dem Entwickler der TTA aus der Schweiz, vertrieben. Unsere Kleintierklinik in Ettlingen gehört zu den ersten Einrichtungen, die sie seitdem regelmäßig einsetzt.
Die TTA 2 ist nochmals deutlich schonender: Die Wundfläche, die für die Operation nötig ist, wurde weiter reduziert, wodurch die Durchblutung im OP-Gebiet noch weniger beeinträchtigt wird. Ebenso ist der postoperative Schmerz erheblich geringer.
Kyon hat als einziger Hersteller eine Sägeschablone entwickelt, die die Operation in wesentlichen Schritten standardisiert und damit individuelle Fehler des Chirurgen oder der Chirurgin reduziert.
Damit wird –wie in der Humanmedizin- die Reproduzierbarkeit des Eingriffs und damit die Qualität deutlich erhöht. Da der Eingriff zudem schneller durchgeführt werden kann als die ursprüngliche TTA, reduziert sich neben der Narkosedauer vor allem die Infektionsgefahr.
Die TTA 2 ist jedoch nicht für jeden Hund das bessere Verfahren. In vielen Fällen stellt die TPLO oder auch die ursprüngliche TTA die bessere Operationsmethode dar. Wir sehen unsere Stärke darin, individuell für Ihren Hund das am besten geeignete Verfahren mit der höchsten Erfolgsaussicht und den geringsten Risiken anzuwenden.
Als überregionale Klinik für Kleintiere führen wir pro Jahr mehr als 300 Kreuzbandoperationen durch und garantieren Ihnen damit ein hohes Maß an Routine und Erfolg. Der Vorteil unserer Klinik für Kleintiere liegt darin, dass wir in jedem Einzelfall individuell entscheiden können, welches Verfahren für Ihren Hund das Beste ist
Arthroskopien haben sich in der Kleintiermedizin weitgehend als standardisiertes Diagnostik- und Therapieverfahren etabliert. Auch im Bereich der Kniegelenkschirurgie sind sie zum unabdingbaren Teil der Operation geworden.
Beim Kreuzbandriss des Hundes handelt es sich oft um einen partiellen Anriss. Dieser kann in der klinischen Untersuchung nur als Verdacht ausgesprochen werden, so dass eine weitere Abklärung zur Abgrenzung anderer Knieerkrankungen nötig ist. Dies kann nur mit einer Arthroskopie oder MRT-Untersuchung sicher erfolgen. Das MRT muss aber in einer separaten Untersuchung erfolgen und kann nicht wie die Arthroskopie in der gleichen Narkose wie die eigentliche Kreuzband-Operation erfolgen.
Die Anatomie des Hundes führt bei Kreuzbanderkrankungen häufig zu einer Beteiligung der Menisken, was Schmerzen und Funktionsstörungen nach sich zieht. Die Menisken sind für die Mechanik im Knie von höchster Bedeutung. Während man früher besonders den Innenmeniskus „therapeutisch“ durchtrennt hat, entspricht dies heute nicht mehr den Richtlinien. Neben der Stabilisierung des Kniegelenks ist der Erhalt der Menisken heute von vergleichbarer Wichtigkeit. Ohne Arthroskopie bleiben Erkrankungen teils unentdeckt oder es erfolgt eine unnötige Entfernung/Durchtrennung des Meniskus.
Unser Ziel ist es, das Gelenk optimal zu behandeln und dabei wichtige anatomische Strukturen zu erhalten und zu reparieren. Die Arthroskopie kann direkt vor der Kreuzbandoperation durchgeführt werden, ohne separate Narkose. Wir empfehlen allen Besitzer*innen von Hunden mit Kreuzbandriss, eine Arthroskopie durchführen zu lassen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Bei der konventionellen Operation oder bei Fadentechniken muss der Körper innerhalb der ersten 12 Wochen eine stabile Narbe um das Gelenk bilden, die letztendlich zur Festigkeit führt. Als Folge des Kreuzbandrisses bei Ihrem Hund muss in der Folge mit einer deutlichen Zunahme der Arthrose gerechnet werden.
Patienten nach TPLO oder TTA müssen ebenfalls über etwa 8-12 Wochen an der Leine gehalten werden, damit der Knochen stabil verheilen kann. Die Lahmheit bessert sich jedoch deutlich schneller als bei konventionellen Methoden oder Fadentechniken. Die frühe Belastung des Beins ist uns sehr wichtig, um Muskelabbau und Vernarbungen zu vermeiden. Daher legen wir keinen Verband an, sondern nur ein kleines Pflaster zur Wundabdeckung. Die Hunde dürfen nach unserem Bewegungsplan bereits in der 3. Woche 20 Minuten und in der 5. Woche nach der OP etwa 30 Minuten an der Leine laufen.
In fast allen Fällen laufen die Tiere zuverlässig gut und können auch starke Belastungen des Gelenks ohne folgende Lahmheit durchführen. Die Zunahme von Arthrosen ist stark reduziert, häufig bleibt das Gelenk arthrosefrei bzw. auf dem Stand zum Zeitpunkt der Operation. Dies entspricht einer hervorragenden Langzeitprognose.