Die Hüftgelenksendoprothese stellt heute den Goldstandard bei schweren degenerativen Hüftgelenksveränderungen oder irreversiblen Verletzungen der Hüfte dar. Seit vielen Jahren sind 2 Anbieter führend auf dem Veterinärmarkt: Die Firma Biomedtrix und die Firma Kyon. Zuerst beschritten beide Firmen gegenläufige Wege. Während Biomedtrix zemetierte Endoprothesen anbot, stand Kyon für den nicht-zementierten Gelenksersatz. Im Laufe der Jahre brachte Biomedtrix ebenfalls nicht-zementierte Modelle auf den Markt, während die zementfreie Endoprothetik für Kyon eine Grundüberzeugung war und hier keine zementierte Variante entwickelt wurde.
Beide Firmen arbeiten intensiv an der Weiterentwicklung der Materialien. Das bisher in die Pfanne eingearbeitete, gleitende Material ist Polyethylen (UHMWPE, Vit E-linked), das mit der Zeit einem langsamen Abrieb ausgesetzt ist. Dadurch wird die Gleitschicht zerstört und das abgeriebene Material kann über eine Fremdkörperreaktion zu einer langsamen Lockerung der Pfanne im Knochen führen. Aus diesem Grund wurden von den Herstellern Garantien auf die Materialen nur bei üblicher Belastung und über einen begrenzten Zeitraum gegeben, Leistungssport war dabei von Garantieleistungen ausgeschlossen.
Kyon entwickelte 2019 ein neues Pfannenmaterial, das aus sehr hartem und abriebfesten Kunststoff (PEEK) aufgebaut ist und im Auflagebereich des Kopfes durch einen zusätzlichen Carbonring verstärkt wird. Die Kombination von PEEK und Carbon hat eine 10fach höhere Abriebfestigkeit wie das bisherige Polyethylen, so dass ein Verschleiß der Pfanne auch bei starker Belastung im Lebenszyklus eines Hundes oder einer Katze weitestgehend ausgeschlossen werden kann.
Die neuen Materialeigenschaften führten jedoch zu Problemen, die bei der experimentellen Erprobung und bei den frühen klinischen Studien nicht aufgefallen waren. Bei der Implantation kann es zur Verformung der Pfanne kommen. Während Polyethylen weicher ist und sich bei Druck von aussen komprimiert und deformiert, passiert das bei dem sehr festen PEEK nicht. Durch den Druck beim Einschlagen der Pfanne in den Knochen kann diese ihre runde Form verlieren und eine leicht elyptische Gestalt annehmen. Bei schweren Verformungen ist es möglich, dass der Kopf in der Gleitfläche leicht eingeklemmt wird, es kommt zu Wärmeentstehung, Abrieb und fühlbarem Widerstand bei der Gelenkbewegung, so dass betroffene Hunde Schmerzen zeigen und das Bein anheben. Diese Tiere sind nicht fähig, die Gliedmaße stark zu belasten.
Es dauerte von 2019 bis 2023, bis dieses noch nie aufgetretene Problem verstanden und behoben wurde, und obwohl es nur einen kleinen Prozentanteil der behandelten Patienten betraf, war diese Komplikation für jeden Hund, bei dem es auftrat, eine Katastrophe. 2023 wurde die Technik der Implantation leicht modifiziert, der Cup in seiner Geometrie leicht geändert und das Instrumentarium angepasst. Seit dieser Zeit treten diese Symptome bei der Kyonhüfte nur noch extrem selten auf.
Biomedtrix arbeitet auch heute noch mit der Polyethylenpfanne. Man geht davon aus, dass nach 5-10 Jahren ein Tausch der Polyethyleninnenschale notwendig werden kann. Bis dahin muss der Patient regelmäßig kontrolliert werden, um Reaktionen des Knochens mit beginnender Pfannenlockerung frühzeitig zu erkennen.
Den gleichen Cup mit identischem Polyethylen bietet auch Kyon an. Mit denselben Einschränkungen. Besitzer haben also bei Kyon die Wahl zwischen einer Pfanne mit UHMW Polyethylen oder PEEK-Carbon.
Der andere Vorteil der Kyonhüfte ist der Stamm, der beim Einsetzen in den Oberschenkel zu viel weniger Problemen als das Biomedtrixmodell führt. Während ein Anbrechen des Knochens während des Einsetzens (Pressfit) oder ein späteres Absenken des Stamms in den Oberschenkel eine Komplikation der Biomedtrixhüfte ist, ist dieses Problem bei Kyon unbekannt, da der Stamm nicht in den Oberschenkel “eingedrückt”, sondern verschraubt wird.
Bei der Kyonhüfte kann der Besitzer entscheiden und abwägen, was für ihn eine höhere Priorität hat. Entweder legt man Wert auf Langlebigkeit sowie starke Belastbarkeit der Prothese und möchte eine Revision umgehen, dann entscheidet man sich für die PEEK-Variante. Dabei geht man das zwar sehr kleine, aber bestehende Risiko einer später auftretenden Schmerzhaftigkeit ein. Fakt ist dabei, dass sich die Fallzahlen von schmerzhaften Patienten nach vorliegenden Daten im niedrig einstelligen Prozentbereich bewegen. Dabei ist es ohne Zweifel, dass jeder einzelne Patient mit diesen Symptomen ein Patient zu viel ist.
Oder man möchte dieses Risiko umgehen und entscheidet sich für Polyethylen mit dem Wissen, dass anschließend regelmäßige Kontrollen nötig sind und bei Implantation im jungen Alter die realistische Wahrscheinlichkeit eines späteren Austauschs (Revision) des Innenlebens oder der gesamten Pfanne besteht. Bei dieser Risikoabwägung beraten und unterstützen wir Sie selbstverständlich ausführlich und gerne.